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  • AutorenbildAnne Amaru

Sumak kawsay- Leben im Einklang mit der Natur

Die andinische Cosmovision Sumak kawsay hat seinen Ursprung in den indigenen Kulturen der gesamten Andenregion und des Amazonas-Dschungels. Diese Weltanschauung geht davon aus, dass die Natur lebendig ist und der Mensch Teil einer voneinander abhängigen Gemeinschaft ist, die alle Lebensformen umfasst. Es gibt keine Trennung von Natur und Mensch, nichts existiert isoliert. Der Mensch wird als Teil der lebendigen Natur betrachtet.


Sumak kawsay ist gelebte Dualität

Alles hat seinen Partner, und dieser Partner gibt dem anderen als Ergänzung Bedeutung. Diese Lebensgemeinschaft ist völlig abhängig von dem, was die Natur bietet: fruchtbare Böden, gesunde Gewässer, reiche Flora und Fauna. Sumak Kawsay vertritt die Idee, dass das kollektive Wohlergehen der Gemeinschaft durch Harmonie mit der Natur erreicht wird.


In der indigenen Weltanschauung der Anden ist die Entwicklung nicht mit materiellem Reichtum verbunden. Diese Lebensweise stellt eine der wichtigsten Alternativen zu „westlichen“ Entwicklungsideen, die Profit, Kommerzialisierung und endloses Wachstum betonen, dar. Der Mensch steht nicht an der Spitze der Schöpfung, er hat nicht das gottgegebene Recht die Natur zu beherrschen und sie in seinen Dienst zu stellen.

Vivir Bien (Lebe gut)
Zwei Schmetterlinge sitzen auf einem Blatt

2009 entstand beim Weltsozialforum in Belém (Brasilien) der Leitsatz „Wir wollen nicht besser leben, wir wollen gut leben“.

„Vivir Bien“ oder „Good Living“ bedeutet Leben in vollen Zügen. Es bedeutet zu wissen, wie man im Einklang mit den Zyklen von Mutter Erde, dem Kosmos des Lebens, der Geschichte und im Gleichgewicht mit allen Existenzformen lebt. Und genau das ist der Weg, denn es bedeutet zunächst Leben und daraus folgend Zusammenleben. Man kann nicht gut leben, wenn es anderen schlecht geht oder wenn Pachamama (Mutter Natur) Schaden nimmt.


Sumak kawsay und sein Aufruf zum „Buen Vivir“ könnte mehr als ein Mythos für die Menschheit bedeuten, auch wenn es noch ein langer Weg ist, die ökologische und menschliche Krise zu beheben

Ein  Käfer sitzt auf einer gelben Blüte

Sumak kawsay - die 13 Prinzipien, um gut zu leben

Die ethnischen Gruppen Lateinamerikas teilen nicht die westliche Vision, dass es einen Anfang und ein Ende (Alpha und Omega) gibt, sondern glauben an die Dimension der „Unendlichkeit“ und die Dimension der „Integrität“.

Alles hängt miteinander zusammen, ebenso wie die 13 Prinzipien des guten Lebens:

Ein Kolibri trinkt aus einer Fackellilie

Suma Manq' aña (saber comer) ...

Zu wissen, wie man isst, bedeutet, nicht sinnlos den Magen zu füllen, sondern gesunde Nahrung zu sich zu nehmen. Bei jedem Neumond wird gefastet.



Suma Umaña (saber beber) ...

Wissen, wie man trinkt. Trinken beginnt mit der Ch'alla, man gibt Mutter Erde, Pachamama, etwas zu trinken, indem man etwas von dem Getränk auf den Boden ausgießt.



Suma Thokoña (saber danzar) ...

Wenn man weiß, wie man tanzt, kann man Beziehungen und Verbindungen mit dem Kosmos eingehen. Tanzen zu können bedeutet, die Traditionen, Rituale und vorherrschenden sozialen Normen zu kennen und daran Interesse zu zeigen.

Die Kenntnis der Tänze bestätigt die Zugehörigkeit des Einzelnen zu einer Gemeinschaft. Und das alles natürlich ohne dabei Spaß, Vergnügen und Spiel zu vergessen.


Ein Mann schläft auf Zuckerrohr

Suma Ikiña (saber dormir) ...

Wissen, wie man schläft. Man sollte zwei Tage schlafen: Dies bedeutet, vor Mitternacht einzuschlafen, um beiden Energien zu bekommen, die der Nacht und die des Morgens des folgenden Tages, die Energie von zwei Tagen.




Suma Irnakaña (saber trabajar) ...

Wissen, wie man arbeitet. Für die indigenen Ureinwohner ist Arbeit kein Leid, sondern Freude. Tätigkeiten sollen mit Leidenschaft und Intensität ausgeführt werden (Sinti pacha).


Eine Frau in Peru mit ihrer Kuh

Suma Lupiña (Saber meditar) ...

Wissen, wie man meditiert, bedeutet in einen Prozess der Selbstbeobachtung einzutreten. Die Stille balanciert und harmonisiert, das Gleichgewicht wird durch die eigene Stille (Amiki) wiederhergestellt. Das Sein verbindet sich mit der Ruhe der Umgebung (Ch'uju) und daraus entsteht wiederum Gelassenheit.



Suma Amuyaña (saber pensar) ...

Wissen, wie man denkt. Entscheidend ist nicht nur die Reflexion des Rationalen, sondern auch der Gefühlswelt.

Ein Mann küsst seine Frau im Urwald
Bild: Cordelia Sánchez (Shipibo-Konibo)

Suma Munaña, Munayasiña (saber amar y ser amado)

Das Wissen darüber, wie man liebt und geliebt wird.


  • Suma Ist´aña (saber escuchar)

Das Wissen wie man hört. Das ist nicht nur das Zuhören mit den Ohren, es ist das Wahrnehmen, Fühlen und Zuhören mit dem ganzen Körper.


  • Suma Aruskipaña (hablar bien)

Das Wissen vom guten Reden. Bevor man spricht, sollte man sich erst gut in den anderen einfühlen und nachdenken.


Ein Mond hinter Bäumen
  • Suma Samkasiña (saber soñar)

Wissen, wie man träumt. Hier geht man von dem Prinzip aus, dass alles im Traum beginnt, der Traum ist der Anfang der Realität. Durch Träume nehmen wir das Leben wahr und träumen bedeutet, da Leben zu projizieren, abzubilden.


  • Suma Sarnaqaña (saber caminar)

Wer laufen kann, wird nicht müde. Dabei müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass man niemals alleine geht; Wir wandeln mit dem Wind, wir wandeln mit Mutter Erde, wir wandeln mit Vater Sonne, wir wandeln mit Mutter Mond, wir wandeln mit unseren Vorfahren und mit vielen anderen Wesen.


  • Suma Churaña, suma Katukaña (saber dar y saber recibir)

Empfangen und geben. Erkenne, dass das Leben die Verbindung verschiedener Wesen und Kräfte ist. Im Leben fließt alles: Das Zusammenspiel der beiden Kräfte "Geben" und "Nehmen" erzeugt Leben. Man sollte wissen, wie man segnend gibt und wie man für alles, was man erhält, dankt. Dankbarkeit bedeutet, zu wissen wie man empfängt.


La cuesta (2002): Andrés Zevallos de la Puente
Bild des peruanischen Künstlers Andrés Zevallos ("La Cuesta")

Mit Sumak kawsay gehen wir unterschiedliche Wege, um zum gleichen Ziel zu gelangen: In Würde und Frieden zu leben. Dabei sollte man den Gedanken aufgeben, dass „Glück“ oder vielmehr "Vivir Bien" ein fixer Punkt am Ende eines Weges sei. Nein, dem ganzen folgt die Erkenntnis, dass das gute Leben selbst der Weg ist.









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