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  • AutorenbildAnne Amaru

Tourismus vivencial in Peru-Ein Tag mit Mama Fanny

Der Titicacasee ist eines der schönsten Reiseziele Perus. Wer etwas ganz Besonderes erleben will, dem empfehle ich zu der im Titicacasee gelegenen Insel Amantaní zu reisen und dort eine Nacht bei einer der einheimischen Familien zu verbringen.

Sonnenuntergang Titicacasee
Die Legende des Titicacasees

Der sagenumwobene Titicacasee ist mit einer durchschnittlichen Größe von 3.812 Metern der größte schiffbare See der Welt. Die Inkas glaubten, dass der See der Ursprung des Universums und seiner Entstehung sei und dass ihre Geister nach dem Tod in den See zurückkehren würden.

Ein Baum vor der Kulisse des Titicacasees

Dem Glauben nach war der Vatergott Wiracocha der höchste Schöpfer aller Dinge. Er kam aus dem Grund des Titicacasees, um die Welt zu ordnen, die in völliger Dunkelheit lag. Am Ufer des Sees meißelte er die Figuren der ersten beiden Menschen, des ersten Mannes und der ersten Frau, aus Stein und gab ihnen Namen. Dadurch erwachten sie zum Leben.

Dieser und andere Mythen sind Teil der Anden-Mythologie, die für die Kultur der Ureinwohner dieser Region von großer Bedeutung sind.


Tourismus vivencial (Erlebnis-Tourismus)

Amantaní ist die größte Insel im Titicacasee und nur mit dem Boot zu erreichen. Die Fahrt von Puno nach Amantaní dauert dreieinhalb Stunden.

Boote vor  der Insel Amantaní

Bei der Ankunft wurden wir herzlich von einer Gruppe der Inselbewohner empfangen. Die Männer waren in weißen Hemden und schwarzen Trachten gekleidet, die Frauen trugen auffällig bunt mit Blumenmuster verzierte Blusen und bunte Röcke sowie ein schwarzes Tuch über dem Kopf.

Trachten der Einheimischen von Amantaní

Nach der Begrüßung wurde die Reisenden in Gruppen aufgeteilt. Zu fünft wurden wir von „Mama Fanny“ zu ihrem Haus geleitet. Sie machte an einem kleinen Laden halt, um ein paar Lebensmittel einzukaufen, denn sie wollte uns später das Abendessen zubereiten. Wir stiegen nach Sauerstoff ringend den steilen Weg zu ihrem aus Lehm gebauten Haus hinauf. Die Luft ist hier sehr dünn, der höchste Punkt der Insel liegt 4150 m über dem Meeresspiegel.

Haus auf Amantaní

Auf dem Weg erzählte mir die schätzungsweise 50 jährige rundliche Frau, das die Einwohner der Insel vom Tourismus leben. Jedoch hätten sie aufgrund der Covid-Pandemie gerade zwei sehr schwierige Jahre hinter sich. Auf der Insel hätte es zwar keinen einzigen Corona-Fall gegeben, aber auch keinen einzigen Touristen. Das Überleben der Insel hing zu der Zeit vollkommen von der Landwirtschaft ab, und auf dieser Höhe sei der Anbau schwierig. Es würde abhängig vom Regen gepflanzt, der im September erwartet wird. Gibt es keinen Regen, so wie dieses Jahr, kann nicht angebaut werden. Erntezeit sei bis Mai, Juni, wenn wieder die Fröste beginnen, also eine sehr kurze Zeit.

Landwirtschaft am Titicacasee

Einmal die Woche werden Lebensmittel, Gemüse und Fleisch an die Insel geliefert. Auf der Insel selbst gibt es keine Fleischwirtschaft und so werden hauptsächlich Kartoffeln und Gemüse verzehrt. Als Vegetariarin kam mir das sehr recht; es hatte mir sehr gut geschmeckt, was Mama Fanny speziell für uns zubereitet hatte. Wir wurden mit Pfannkuchen, Quinoa-Suppe und Reis mit Gemüse versorgt. Dazu gab es einen sehr wohlschmeckenden Tee aus dem gesunden, aromatischen Heilkraut Muña.

Essenszubereitung in einer ländlichen Küche auf Amantaní

Wir wollten alles ganz genau wissen und so erfuhren wir die Geschichte der Entstehung des Tourismus, an der Fanny selber beteiligt war. 1980 hatten einige Inselbewohner zum ersten Mal daran gedacht, touristisch aktiv zu werden. Jedoch waren viele dagegen und so wurde die Idee erstmal verworfen. 1989 begann Fanny die ersten Touristen zu sich nach Hause einzuladen und andere zogen nach. Dann begann man sich zu organisieren.

Tourismus am Titicacasee

Nach Covid waren wir nun die ersten von 15 Personen, die von unserer Gastfamilie nacheinander empfangen werden. Es würden also noch 10 Personen folgen. Danach kommen die anderen Kommunen dran, immer im Wechsel, so daß jede Familie so ca. 4 mal im Jahr Gäste haben wird.

Zimmer im Haus auf Amantaní

Ich war erstaunt über die Einrichtung der Küche und der Zimmer, die doch mehr dem touristisch gewohnten Auge entsprachen, als ich erwartet hatte. Die Betten waren zwar etwas hart, aber für eine Nacht tolerierbar. Ich war auch erst besorgt, das ich nachts frieren würde, aber im Zimmer war es warm genug. Es war eigentlich nur kalt und umständlich nach draußen auf die Toilette zu gehen, denn die Temperaturen können, je nach Jahreszeit, nachts bei 1 bis 2 Grad liegen.

Sanitäre Anlagen auf Insel im Titicacasee

Eine Dusche gab es nicht, man badet sich im kalten See, ansonsten gibt es nur die Katzenwäsche am Waschbecken mit kaltem Wasser, Seife und Zahnbürste. Die Toilette wurde mit einem Eimer Wasser gespült. Man arrangiert sich und bekommt dafür ein bereicherndes Abenteuer nah am ursprünglichen Leben in Peru zurück.

Frau mit Wollspindel und Schafen in Peru

Nach dem Abendessen wurden wir zum Tanz eingeladen. Dafür wurden wir in die typischen Trachten gekleidet. Die Männer bekamen ein Cape übergezogen und die typischen Wollmützen aufgesetzt, die Frauen zogen sich Röcke über die Jeans und legten sich Tücher über den Kopf. Das Ergebnis waren sehr lustige Erinnerungsfotos. Bei traditioneller Livemusik durften sich alle an die Hände fassen und nach andinischer Manier ausgelassen im Kreise tanzen. Es wurde ein gelungener Abend mit viel Lachen und guter Laune.

Musiker beim Fest in Peru

Am nächsten Tag hatten wir ein anregendes Gespräch mit der sehr aufgeschlossenen Tochter. Meine Frage, ob das alles durch ein Projekt gefördert wurde bzw. ob eine Ausbildung über Tourismus stattgefunden hatte, wurde von ihr verneint. Sie hätten alles autonom gemacht. Das erstaunte mich nach den Erfahrungen, die ich mit den Kleinbauern in Cajamarca gemacht hatte, die immer auf der Suche nach Hilfe von außen waren, aber selten etwas selber geschafft hatten.

Ausblick auf Wasser durch ein Fenster

Sie erzählte, das es auf auf der Insel mittlerweile auch eine Verbesserung der Schulbildung gäbe. Es gäbe einen Kindergarten und 250 Kinder gingen zur Schule, die mittlerweile Grundschule und Hauptschule umfasst. Die Lehrer würden nun aus Puno herkommen, dadurch hätte sich die Bildungssituation verbessert. Früher habe es nur zwei gute Lehrer gegeben, aber heute wären fast alle ok . :-)

Plaza de Armas Amantaní

Weiter berichtete sie, das es kein Fernsehen gebe, Nachrichten aus Lima würden über das Radio gehört. Ein Solarenergie-Projekt habe nicht viel getaugt, sie arrangierten sich nun selber dafür, daß alle Zimmer Strom bekommen.

Sonnenuntergang am Titicacasee

Traditionelle Zeremonie zur Ehrung von Pachatata und Pachamama

Auf der Insel Amantani entsprechen zwei Hügel der Pachamama (Mutter Erde) und dem Pachatata (Vater Himmel). Beide zeigen die Anden-Dualität, die Leben gibt.

Jeden dritten Donnerstag im Januar ehren fünf "Ayllus" der Insel Pachamama und weitere fünf Pachatata. „Ayllu“ ist ein Wort aus den Sprachen Quechua und Aymara, das ein Netzwerk von Familien in einem bestimmten Gebiet beschreibt.

Geheimnisvolles Tor

An diesem Ritual nehmen etwa 2.000 Menschen teil, die auf die Schutzhügel steigen und symbolisch einen Fruchtbarkeitsakt nachstellen. Der Quechua-Priester oder „Pacco“ ist dafür verantwortlich, Pachamama die Opfergaben darzubringen, die Anwesenden zu reinigen und mit Holzkohlenrauch zu segnen. Am Festtisch sammelt er Gegenstände wie Kokablätter, Kekse, Kartoffeln und Mais. Die Teilnehmer tragen Muscheln, die mit Chicha, einem Maisgetränk gefüllt werden. Eine einheimische Frau repräsentiert Mutter Erde. Es wird ein Lagerfeuer angezündet, auf das der Priester die Opfergaben wirft, während die anderen um das Feuer tanzen.

Der Pacco führt auf dem Pachatata-Hügel eine ähnliche Zeremonie durch. Nach Abschluss des Rituals geht jede Gruppe schnell den Berg herunter, um als Erste anzukommen. Wenn Pachamamas Gruppe zuerst eintrifft, nimmt man an, dass es im Laufe des Jahres eine gute Ernte geben wird.

Kirche Amantaní am Titicacasee

Amantaní ist auch als „Insel der Liebe“ bekannt, da sie bezaubernde Landschaften und die schönsten Sonnenuntergänge bietet, die ihr einen Hauch von Romantik verleihen und perfekt für verliebte Paare sind.

Wir konnten diesen magischen Moment miterleben, sagenhaft wie das Blau des Wassers des Titicacasees mit dem Grün der Landschaft kontrastiert, eine atemberaubende Landschaft, die es wert ist, fotografiert zu werden.

Textilverkaeufer am Titicacasee

Wir trafen viele Textilverkäufer auf dem Weg, die sich Konkurrenz machten, einige so alt, das ihre gehäkelten und gestrickten Handschuhe, Schals, Mützen und Pullover nicht nicht mehr ganz dem Niveau der Jungen entsprach und sie uns quasi anbettelten etwas zu kaufen. Unter dem Deckmantel des Tourismus liegt auch teilweise Not verborgen, den viele Touristen schnell übersehen, weil ihnen von den Einheimischen auch eine heile Welt vorgespielt wird. Aber sie waren alle freundlich, geduldig und aufrichtig zu uns. Man musste nur die richtigen Fragen stellen, dann konnte man viel Darunterliegendes aufdecken.



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